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unterstützt Höhen und Tiefen kunstvollen Alterns mit Fantasie, Fotografie, Poesie, Clownerie

Lyrik - ohne Netz und doppelten Boden

In jeder größeren Stadt gibt es Literaturbüros als Anlaufstelle für Autoren. Eine gute Sache, dachte ich und wurde zahlendes Mitglied. Hier bekommst du Unterstützung und vielleicht sogar auch eine finanzielle Spritze. Ich bitte um einen Gesprächstermin, werde freundlich von einer Dame empfangen, und trage mein Anliegen vor : Gerne möchte ich eine Lesung mit meinem Gedichtband machen.
Mein Freund Michael, ein wunderbarer Shakuhachi – Spieler ( traditionelle ZEN Flöte) wird seine Musik in den Duft meiner Texte einweben, nicht nur als musikalischer Begleiter, sondern als Partner, der die Stimmungen und Schwingungen der Texte und ihrer Zuhörer auffängt und in meisterlicher Art in Töne umsetzen kann.

Nun hat ja heute jeder Kneipenwirt sein Hinterzimmer, in dem früher Billiard gespielt oder heimlich gezockt wurde in eine Kleinkunstbühne mit zwanzig Stühlen umgewandelt.
So, als Anfängerin, dann noch in meinem Alter, meine Blümchen - und Bienchen - Texte kann man sich ja leicht vorstellen, müsse ich eben da durch, stand in Leuchtschrift vor der Stirn der Literaturfachfrau, mit freundlicher Nachsicht, versteht sich. Und ob ich denn ein Exemplar dabei hätte? Hatte ich natürlich. Sie spielt damit einen kleinen Moment Leporello, nickt anerkennend : gut aufgemacht. Na klar, hatte ich doch einen Anteil meiner Altersfürsorge dafür hergegeben und einen der modernsten und bekanntesten Lyrikpäpste Deutschlands (zukünftige Erweiterung : Großbritannien) gewinnen können. Dumm für mich. Sie kannte ihn nicht, schob mir bedächtig mein Kleinod wieder zurück und meinte : Ja, dann kann ich sowieso nichts für Sie tun. Wir entschieden uns vor langer Zeit, mit dem deutschen Schriftstellerverband zu kooperieren und haben uns deren Bedingungen zu eigen gemacht. Das bedeutet, dass nur förderungswürdig ist, wer bereits etwas veröffentlicht hat im herkömmlichen Verlagsbetrieb, also ohne Selbstverlag, Druckkostenzuschuss, book on demand und was auch immer.
Ich verstehe das gut, irgendwo muss man ja eine Grenze ziehen, um der Flut der Literatur – Ergüsse Herr zu werden. In diesem Augenblick schrumpft mein Selbstwertgefühl auf, na ja, sagen wir mal.....

Ein Kurs im Wundern : alles, was ich geschrieben habe hat keinen Wert, solange kein Verleger einen winzigen Ausschnitt davon nach seinen Kriterien begutachtet hat. Sollte ich in das Raster passen, sind mit einem Mal nicht nur die sechzig Gedichte, die ich ihm aufs Auge gedrückt habe
gesellschaftlich anerkannt. Mit einem Mal scheint auch alles andere als förderungswürdig.

Na, ja, vielleicht bin ich da etwas tragisch, schwülstig, aber was macht eine Tigerin, die sich dauernd in den Schwanz beißen muss, um satt zu werden?

Ich flüchte mich zu den für mich wahren Meistern der literarischen Zunft, zu den uralten Dichtern Chinas, Koreas und Japans. Basho, KO UN, Rumi und viele andere zaubern süße Stille zwischen karge Worte, berühren mich mit einer Sanftheit, dass ich mich als Leserin frei und phantasievoll auf sie einlassen kann.
Wenn sie dieses Geschichtchen hören könnten, würden sie alle in lautes Gelächter ausbrechen und
mich zu sich einladen mit diesen Worten :
von Ryokan :
Wer sagt, meine Gedichte seien Gedichte?
Meine Gedichte sind nichts Erdichtetes.
Wenn du wirklich verstehst, dass meine Gedichte
keine Gedichte sind, dann können wir gemeinsan
die wunschlose Freude am Leben und an der Natur teilen.