kunstvollaltern und lebenskunstvollsterben

unterstützt Höhen und Tiefen kunstvollen Alterns mit Fantasie, Fotografie, Poesie, Clownerie

Der Clown, eine Dokumentation von Stefan Schlenker - www.clowndido.com - sehr zu empfehlende webside

Der Clown
Geschichte
Entstehung
Entwicklung
Ein Vortrag von Stefan Schlenker

Vorwort
Die Figur des Clowns übt auf viele Menschen eine große Faszination aus
und es erstaunt mich immer wieder, daß mit dem Clown so viele Klischees
verbunden sind.
Viele Leute wollen partout nicht verstehen, warum ich außerhalb meiner
Clownsrolle nicht melancholisch oder traurig bin ....;o)
Warum sprechen uns die zentralen Themen des Clowns - das Scheitern
und das Fiasko - so an ? Warum hat der Clown so viele andere Künstler
inspiriert ? Und warum ist die rote Nase die kleinste Maske der Welt ?
Vielleicht liegt es daran, daß der Clown uns etwas von den ewigen Freuden und
Leiden vermittelt, von der Größe und der Schwäche des Menschen und wir uns
so immer wieder in ihm wiederspiegeln können. Er spielt keine Rolle sondern lebt
sich selbst, jeden Tag auf´s Neue und schenkt dabei Freude, Staunen, Lachen und
viele Träume, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.
Der Clown, so wie wir ihn heute kennen, ist eine relativ junge Figur. Die Suche
nach den Ursprüngen, den Vorläufern des Clowns reichen jedoch weit zurück.
Die Antike
In der Antike hatten die komischen Figuren im Theater eine sehr deutliche
Doppelnatur. Zum einen waren sie Spötter, die sich mit ihrem Schabernack und
beißendem Spott gegen Obrigkeiten auflehnten, zum anderen waren sie die
Verspotteten, die wegen ihres entstellten und verkrüppelten Äußeren verlacht
wurden und oft nicht bei Sinnen waren. Klassischer Repräsentant ist Hephaistos,
der hinkende Gott, der sich wild und ungehörig gebärdet, im Grunde jedoch nach
Liebe sucht.
486 v. Chr. wurde die Komödie offiziell anerkannt, mit all ihrer Respektlosigkeit
gegen Götter und Menschen, deren Schwächen durch Spott bloßgestellt wurden.
Doch wurde mit der Anerkennung durch die öffentlichen Personen und
Institutionen der antiken Spötterfigur viel Wind aus den Segeln genommen.
Die Mimen der Antike bedienten sich vieler Formen und Stilmittel, die auch bis
heute ihre Gültigkeit haben. Sie gelten als die Vorläufer der Commedia dell´ Arte,
die in pantomimischen Stegreifspielen alltägliche Themen durch den Kakao
zogen, gewürzt wurde das ganze dann noch mit Akrobatik und Artistik.
Die Renaissance und Sebastian Brant
Die Renaissance brachte dann weltverändernde Erkenntnisse auf allen Gebieten,
religiöse Umwälzungen und die Suche nach einem neuen Weltbild.
Der "Narr" galt als Bote des Übergangs zum neuen Menschenbild. Sebastian
Brant (1457 - 1521) gilt als Schöpfer der Narrenidee. Brant war sehr besorgt
über den sündigen Verfall der Welt, obwohl doch "das Land voll der heiligen
Schrift war".
1494 wurde sein "Narrenschiff" veröffentlicht, eine lose Folge von Kapiteln mit
Holzschnitten, die sich bald zu einem "Bestseller" entwickelte. Es ging ihm um
die Anprangerung aller menschlicher Schwächen, Laster und Verfehlungen. Er
schrieb als eine Art Morallehre, mit der Absicht die Menschen "zu Nutz und
heilsamer Lehr, Ermahnung und Erfolgung der Weisheit, Vernunft und guter
Sitten" zu erziehen.
Seine Narren, das waren die Spieler, Studenten, Gecken, Seiltänzer,
Kirchenschänder, Wucherer und derlei mehr, die sich mit dem Narrenschiff auf´s
offene Meer der Unvollkommenheit und der Zügellosigkeit wagten, und damit
ihrer Vernichtung entgegen gingen.
Typische "närrische" Charakteristika waren für Brant Sorglosigkeit und
Unbekümmertheit, Zwietrachtstiften, Habsucht, schlechte Sitten, Borgen,
unnützes Wünschen, Eigensinn, unfolgsame Kranke. Wolllust, Neid, Hass,
Undankbarkeit, törichtes Tauschen und noch viel mehr.

Brant griff auf das überlieferte Wissen vergangener Jahrhunderte zurück, das
besagt, daß die Weisheit ein Geschenk Gottes ist und "Tumbheit und
Töperhaftigkeit" durch die fehlende Erleuchtung des heiligen Geistes entstehen.
Der Narr im mittelalterlichen Verständnis war als eine geistesblind
dahindämmernde, gottesverachtende Figur dargestellt. Sehr deutlich wird dieses
Bild auch in den Gemälden von Hieronymus Bosch.
Ein ähnlich gottloses Bild meiner frühen Kollegen zeichnete auch Thomas
Murner in seiner "Narrenbeschwörung" (1512), für den die Narren die Zerstörer
der Weltordnung waren.
Erasmus von Rotterdam
Erst bei dem Humanisten und Augustinermönch Erasmus von Rotterdamm
(1466 - 1536) wurden meine beruflichen Vorgänger in ein besseres Licht gerückt.
Er drängte auf Ausgleich und Harmonie und suchte den Zusammenhang von
Antike und Christentum, von Sokrates und Christus, von Vernunft und
Menschlichkeit.
Sein "Lob der Torheit" (1511) zeigte eine positive Sicht der Narrengestalt. Der
Narr verfügte nun über schöpferische Kräfte und ist Beweger der Phantasie.
Erasmus von Rotterdamm will nicht belehren oder erziehen, er sieht in der
heilsamen Torheit die wahre Weisheit und in der eingebildeten Weisheit die wahre
Torheit.
Seine Auffassung war auch kirchenkritisch, denn für ihn stand der Narr, der Tor
in der Nachfolge Christi. Er war der Träger einer höheren Weisheit, der
anerkennt, daß die wahre Weisheit allein bei Gott liegt.
Und damit hat er eigentlich gar nichts Neues erfunden, sondern nur gründlich in
der Bibel gelesen. Denn Paulus sprach schon: "Wie einem Toren hört mir zu,
denn ich spreche nicht im Herrn, sondern wie in der Torheit" (2. Kor. 11, 16 -
17) und "Wir sind Toren um Christi Willen" (1. Kor. 4,10).

Till Eulenspiegel
Und mit der Figur des Till Eulenspiegel bekam der Narr eine ganz neue
Facette: er war fortan nicht mehr das personifiziert Laster, sondern eine
Persönlichkeit, deren Streiche man genußvoll liest. Till Eulenspiegel bezeichnete
sich selbst als Narren, als Toren und das war auch die Rolle, die er spielte. Er
sagte unter dem Mantel der Narrheit die Wahrheit.
Von Till Eulenspiegel starkt beeinflußt sind die weisen Narren bei William
Shakespeare, denn auch dort sind es äußerst vielschichtige Charaktere, wie zum
Beispiel der Narr in König Lear, der närrische Spaße macht, während er
bitterlich um seinen König leidet.
Hier kommt auch der Begriff "Clown" ins Spiel, abgeleitet vom lateinischen
colonus, was soviel wie Bauer oder Landmann bedeutet. Clown steht dann im
Englischen ursprünglich für Bauer, im umgangssprachlichen auch für den
ungewollten Tölpel und im übertragenen Sinne für einen Spaßmacher. Konkret
belegbar mit dem ungewollten Tölpel Malvolio in "Was ihr wollt" und dem
Spaßmacher Lancelott Gobbo im "Kaumann von Venedig".
Und wenn wir gerade dabei sind: der englische "fool" (altfranzösisch fol) stammt
aus dem Lateinischen und bedeutet Blasebalg, umgangssprachlich aber auch
"Windbeutel". Und auch "fool" hat drei Bedeutungsebenen, im eigentlichen
Wortsinn ist es ein Wahnsinniger, ein Geistesgestörter. Der "natural fool" wird
aber auch als Idiot und Tölpel gedeutet und der "artificial/domestic fool"
schließlich ist der berufsmäßige Spaßmacher.
Hofnarren
Doch kommen wir nun zu den Hofnarren. Anfangs - im 12. Jhd - waren das
nur Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen, ohne
Bürgerrechte. So schlimm das nun klingen mag, für die damalige Zeit bedeutete
das ein gesichtertes Einkommen, allerdings war man der Willkür ausgesetzt.

Bei Shakespeare beginnend entwickelt sich durch die Figur des Honarren der
Narr als Künstler. Immer öfter fand man Schauspieler als Hofnarren, die oft vom
Herrscher auch als Ratgeber geschätzt waren. Der Begriff der Narrenfreiheit
findet hier seinen Ursprung, es war die Freiheit alle zu duzen, die Wahrheit zu
sagen und vieles mehr. Gleichzeitig war der Narr auch in einer Opferrolle, denn
er fing die Launen des Königs au, suchte ihn zu erheitern und war ihm stets zu
Diensten.
Es entwickelte sich eine richtige Zunft der Narren mit entsprechenden
Zunftzeichen. Die Narrenkappe war ursprünglich eine Eselsohrenkappe mit
Hahnenkamm (der Esel als der Dumme, der Hahn als der Eitle), dazu kam das
Narrenzepter, auch Marotte genannt. Diese Marotte trug oft das Ebenbild des
Narren als Warnung vor Selbstgefälligkeit.
Die Rollen von König und Hofnarr findet man übrigens heute wieder beim
Weißen Clown und dem Dummen August. Aber dazu später mehr.
Im Absolutismus unter Ludwig dem XIV. (1643 - 1715) waren galante höfische
Vergnügungen wie Bälle, Hoftheater und Ballett mehr gefragt, die Zeit des
Hofnarren war vorbei.
Comedia dell´arte
Gegen Ende des 16. Jhds entstand in Italien die Comedia dell´ arte.
Berufskomödianten spielten Stegreifkomödien mit festgelegten Rollen, mit
typischen Figuren, in denen die Zuschauer sich selbst entdecken konnten. Da war
der eifrige Diener, der lächerliche Alte, der Aufschneider und das junge
Liebespaar und jeder Figur trat mit einem spezifischen Dialekt auf.
Arlecchino mit seinem Witz, darf hier als der erste direkte Vorläufer des Clowns
gelten, birgt doch jeder Arlecchino alle vorhergehenden Arlecchinos in sich, mit
alle ihren Sprüchen, ihrer Erfahrung und ihrer Weisheit.
Das Spiel folgte immer bestimmten, sich wiederholenden Mustern, die den
Rahmen für Improvisationen gaben. Kurze Pauseneinlagen - "Lazzi" genannt,
gaben die Möglichkeit, den weiteren Handlungsverlauf spontan neu zu
bestimmen. Typische Lazzi waren z.B. der Kampf mit einer (unsichtbaren) Fliege,
Tortenschlachten, Einseifen und Rasieren und wurden später zu
Clownsnummern.

Übrigens nahmen die Schauspieler in ihren Lazzi gerne auch lokale Obrigkeiten
aufs Korn, und könnten somit als die ersten Kabarettisten gelten.
Molière und Goldoni gelten als schriftstellerische Erben der Comedia dell´ arte,
durch die literarische Festlegung entfielen jedoch alle Improvisationen.
Harlekin, Pulcinella und Pierrot
Im Laufe der Zeit entwickelten sich zwei Figuren, Harlekin und Pulcinella.
Pulcinella war eine Dienerfigur, faul, in weiße Gewänder gekleidet, daraus
entstand später der Pierrot. Harlekin war der Einfache, der Dumme, wurde mit
der Entwicklung der Figuren zum Hanswurst. Beide boten genügend
Identifikationsmöglichkeiten für Jedermann in Szenen die direkt aus dem Alltag
der Zuschauer gegriffen waren.
Der Hanswurst wurde zur Theaterfigur, von Schauspielern aufgegriffen, von
Schriftstellern verarbeitet (Stranitzky, Lessing, ...).
Die reinen Toren, die Dummen im Märchen könne auch als Vorläufer des
Clowns betrachtet werden. Verachtet, ausgelacht, verprügelt und beschimpft,
waren sie von kindlichem Gemüte, treuherzig und wahrhaftig frei von Egoismus
und Hochmut - dabei immer offen für höhere Weisheit. So hieß es im
Simplizissimus " .... hat nichts als edle Unschuld und Einfalt." Literarisch
verarbeitet in vielen berühmten Werken: Dostojewskis "Idiot", "der kleine Prinz"
oder Kaspar Hauser um nur einige zu nennen.
Der Zirkus
Der Zirkus in seiner heutigen Form existierte zur Zeit Kaspar Hausers (1812 -
1833) noch nicht, jedoch entsanden die ersten fahrenden Menagerien, die seltene
Tiere und menschliche Abnormitäten ausstellen. Die dort präsentierten "natural
fools" und "freaks" sind später dann vor allem in den Sideshows der
amerikanischen Zirkusse traditionsreich geworden.

Diese Zuschaustellung sollte aus heutiger Sicht aber nicht nur negativ gewertet
werden, denn für viele "freaks" bedeutete das ein Auskommen.
Viele mittlerweile arbeitslos gewordene Narren, Gaukler, Schelme, Harlekine und
Hanswurste fanden bei diesen fahrenden Gruppen eine neue Heimat.
Schon seit ca. 1750 führten Kunstreiter akrobatische Kunststücke vor. Sie gaben
Gastspiele und bauten Manegen und Amphitheater. Philip Astley in London ließ
sogar ein Theater mit Bühne und Manege bauen, in dem sich vor allem die
gehobene Bürgerschaft unterhalten ließ. Astleys Richtung mündete mehr in
Militaryreiterei, während der spätere Zirkus mehr aus den spanischen
Hofreitschulen und italienischen Rferdeballetten hervorging.
Cirque Olympique
Doch zurück zum Clown. Die Nationalversammlung in Paris erließ 1791 ein
Dekret, das jedem Bürger erlaubte ein Theater zu gründen. So entsstanden viele
Theater, auch Astley ließ in Paris "Astleys Amphitheater" bauen. In der Wirren
der frz. Revolution mußte er aber Paris verlassen und mit dem Bürger Antoine
Franconi übernahm der Gründer einer der berühmtesten Zirkusdynastien das
Amphitheater.
Napoleon - selbst Theaterliebhaber - erließ 1806 ein Dekret, das die Anzahl der
Theater limitierte und jedem Theater ein ganz bestimmtes Genre zuwies.
Franconis Cirque Olympique durfte Mimodramen zeigen, Reiterdressuren und
Dressurakte sowie Geschicklichkeits- und Kraftakte.
Die Spectcles de la Curiosité durften in nichts an die dramatischen Theater
erinnern, sie zeigten Marionetten, Automaten, Panoramen und Schattenspiele
ebenso wie Akrobatik und Seiltanz.
Im Théatre de la Gaieté spielte man Farcen und Harlekinaden während im
1813 eröffneten Spectacle des Funambules ausschließlich
Geschicklichkeitsspiele (Jonglieren), Springernummern und Seiltanz gezeigt
werden durften. 1815 erhielt das Funambules jedoch die Erlaubnis für
Harlekinpantomimen ohne jedes gesprochene Wort.

Jean Babtiste Debureau
Im Funambules debütierte 1816 der erste große Vorläufer des Clowns - Jean
Babtiste Debureau - mit seiner Pantomime "Der Arzt".
Mit seinem losen weißen Kittel mit langen weißen Armeln, den weiten weißen
Hosen, der schwarzen Kappe und dem schneeweisen Gesicht erschuf er den
unvergessenen französischen Pierrot, ganz ohne die Dummheit und die
Plumbheit der italienischen und englischen Vorgänger.
Debureau wurde berühmt, faszinierte auch Literaten und Künstler und der
faszinierende Film "Die Kinder des Olymp" setzte ihm ein würdiges Denkmal.
Die Zirkusse des 19. Jhds. zeigten immer gigantischere Inszenierungen und der
"Clown" fand jetzt überall zutritt.
Joe Grimaldi (1799 bis 1837) erreichte seine Wirkung vor allem durch
schauspielerische Techniken, war also noch kein "richtiger Clown" trotzdem wird
ihm zum Gedenken in London jedes Jahr zu Ostern ein Clowngottesdienst
abgehalten.
1835 erstrahlte im Olympique ein neuer Stern: Auriol (1806 - 1881). Er trat in
einem modernisierten Narrengewand auf, mit Schellenkappe und ungeschminkt.
Er war Springer, Jongleur, Äqulibrist, Seiltänzer, Reiter und Komiker zugleich.
Er trat später auch im deutschen Zirkus Renz auf, berühmt ist heute noch sein
Flaschenkunststück:
Auf einem Tablett mit Flaschen tanzte er Polka, warf eine Flasche nach der
anderen um und stand schließlich auf Zehenspitzen auf der letzten Flasche.
August und Weißclown
Von nun an ging es schnell mit der Entwicklung des Clowns. Im Zirkus Renz
berühmt geworden ist Tom Belling (1843 - 1900).
Im väterliche Zirkus arbeitete er als Voltigeur, Parterrespringer, Drahtseilkünstler,
Jongleur, Taschenspieler, Schulreiter, Violinvirtuose und Glasharmonikaspieler,
kam dann durch einen Zufall zum Zirkus Renz und fiel dort grandios durch und
entwickelte damit die Figur des Dummen August. In der Folgezeit trat der
dumme August immer mit einer anderen Figur zusammen auf: mit dem
Weißclown.

Zuerst spielten sie nur Reprisen der Nummern, karikierten das Gesehene und
durften andere bis hinauf zum Direktor parodieren.
(Wer diesem Artikel bisher aufmerksam gelesen hat, der wird jetzt ausrufen: Wie
in der Commedia dell arte ! ... ;o) ... ).
Dann entstand aber immer deutlicher das Entrée als eigenständige Nummer.
Auch die Kostüme wurden klarer:
DerWeißclown elegant in einem Kostüm aus Samt und Seide, Pumphose bis zu
den Knien, Seidenstrümpfe, elegante Schuhe, Gesicht und Hals weiß, Mund und
Ohren rot mit schwarzen Strichen als Augenbrauen.
Der August hatte zu große Kittel, die entweder schlecht geschnitten waren, zu
groß oder zu weit, unförmige Hosen (geflickt) und viel zu große Schuhe.
Der echte Zirkusclown war erschaffen, aus den Zirkus und seiner Struktur
heraus gewachsen.
Federico Fellini
Federico Fellini hat einige sehr schöne Gedanken über das Verhältnis von
Weißclown und August formuliert, die ich Ihnen an dieser Stelle nicht
vorenthalten möchte.
"Wenn ich Clown sage, denke ich an den August; freilich sind da die beiden
Figuren: der weiße Clown und der August. Der erste ist Eleganz, Grazie
und Intelligenz, Klarheit - alles, was sich moralisch als ideale, einziggültige
Lage, als indiskutierbare Gottheit anbietet.
Und da erscheint der negative Aspekt dieser Angelegenheit. Denn so wird
der weiße Clown zur Mama, zum Papa, dem Meister, dem Künstler, dem
Schönen, kurz, zu dem, was man tun sollte. Der August der von dieser
Perfektion fasziniert wäre, wenn sie nicht so deutlich zur Schau getragen
würde, der revoltiert. Er sieht, daß der Flitter leuchtet, doch macht die
Aufgeblasenheit, mit der er sich darstellt, den weißen Clown unerreichbar.
August ist das Kind, das unter sich kackt, er rebelliert gegen diese
Perfektion, besäuft sich, wälzt sich auf dem Boden und belebt daher den
ständigen Widerspruch. Es ist der Kampf zwischen dem stolzen Kult der
Vernunft, der zum anmaßenden Kult des Ästhetizismus wird, und dem
Instinkt, der Freiheit des Triebes.

Der weiße Clown und der August - es sind Lehrerin und Kind, Mutter und
Lausbub, man könnte auch sagen: der Engel mit dem feurigen Schwert und
der Sünder.
Es sind die beiden Haltungen des Menschen, der Drang nach oben und der
Drang nach unten, getrennt, geschieden.
Der Film (Die Clowns) endet so: die beiden Gestalten kommen einander
entgegen und gehen miteinander von dannen. Warum rührt diese Situation?
Weil diese beiden Gestalten einen Mythos verkörpern, den wir alle in uns
tragen. Versöhnung der Gegensätze, die Einheit des Seins.
Was im steten Krieg zwischen dem weißen Clown und dem August
schmerzt, hat nichts mit der Musik und dergleichen zu tun, es ist unsere
Unfähigkeit, die beiden zu versöhnen. Denn je mehr du den August nötigen
willst, diese Geige zu spielen, desto schrillere Trompetentöne läßt er hören.
Auch verlangt der weiße Clown. daß der August elegant sei. Der wird aber
umso verlumpter, unbeholfener, staubbedeckter, je autoritärer das Gegenteil
verlangt wird.
Er ist das vollkommene Sinnbild einer Erziehung, die das Leben
idealisierend und abstrakt anbietet. Doch sagt Lao Tse: wenn du dir einen
Gedanken machst (der weiße Clown), so lache darüber (der August). So ist
der weiße Clown der Bourgeois, auch weil er mit seiner Persönlichkeit so
erscheinen will, daß er Eindruck macht. Schon im Anblick ist er wunderbar,
reich, mächtig, das Antlitzweiß, gespenstisch, der Mund durch einzigen
Strich gezeichnet, hart, unsympathisch, abweisend, kalt. Die weißen Clowns
wetteifern stets, wer das prunkvollste Gewand trägt (Krieg der Kostüme).
Berühmt war Theodor, der für jeden Tag des Jahres ein anderes Kostüm
besaß. Der August ist im Gegenteil auf einen einzigen Typus fixiert, der sich
weder wandelt noch Kostüme wechselt.
Die bürgerliche Familie ist eine Versammlung von weißen Clowns, worin
das Kind in die Lage des August gedrängt ist. Die Mutter sagt: »Tu dies
nicht, tu jenes nicht.« Wenn man die Nachbarn einlädt und das Kind ein
Gedicht aufsagen muß (»zeig den Herrschaften, was du kannst«), dann hat
man eine typische Zirkussituation."
Soweit Federico Fellini. Wichtig für das richtige Verständnis dieser Zirkusclowns
erscheint mir die Unterscheidung zwischen Theater und Zirkus.
Während im Theater alles nur Theater ist, gibt es im Zirkus echte Gefahr. Dem
Zuschauer stockte der Atem, deshalb gab es als Ausgleich die Clowns zum
ausatmen und entspannen.

Dies war schon immer eine wichtige Funktion der Clowns. Ohne autonomen
künstlerischen Anspruch mußte der Clown seine Aufgabe erfüllen, und so wurde
er auch nicht nach Metier sondern nach Funktion eingeteilt:
- Teppich - oder Massenclowns (in der Anfangszeit am Häufigsten)
- Reprisenclowns (mit Sprechstallmeister als Stichwortgeber )
- Entréeclowns (abgeschlossene Nummern)
- Exzentrikclowns (Stars mit eigenen Nummern und Programmen ohne Bezug
zum Zirkusprogramm)
Nach der Jahrhundertwende nahm die Zahl der Zirkusse in Europa stark zu.
Gefragt waren weniger Massennummern dafür mehr Einzelnummern,
spezialisiert mit Höchstleistungen.
Nach dem ersten Weltkrieg gab es außer Zirkus Krone / München nur noch
fahrende Zirkusse.
Dort hat sich der Clown im Laufe der Zeit zu einer eigenständigen Figur
entwickelt.
Rivel, Grock, Popov, ...
Ganz berühmt war Grock (Adrian Wettach 1880 - 1959) dessen Nummer mit
Stuhl und Geige noch heute als "nit möööööglich" in Erinnerung ist.
"Akrobat schööön" Charlie Rivel (1896 - 1987) und die berühmten Fratellini
(ca. 1877 - 1961) standen Grock in nichts nach.
Oleg Popov (geb. 1930) wurde wie Tom Belling durch Zufall zum Clown. Sein
Stern begann zu leuchten, als er den Pausenclown vertreten mußte.
Ich selbst hatte die Ehre und das Vergnügen, ihn mehrmals live zu sehen und
war von seiner Ausstrahlung tief beeindruckt.
Viele große Clowns und Clowninnen kann man heute in Theatern und auf
Bühnen bewundern. Es gibt viele, die man einfach gesehen haben muß: Dimitri,
Gardi Hutter, Avner Eisenberg, Peter Shup, Eric Boo, Antoschka und natürlich
........"Harry" und "Clown Dido"......;o)

Schlußbemerkung:
Diesen Artikel habe ich vor vielen Jahren zum ersten Mal als Vortrag mit
anschließendem Auftritt gehalten.


Stefan Schlenker Lirerstrasse 15a 6844 Altach (Österreich) T/F 0043 (0)5576 42253 www.clowns.cd