kunstvollaltern und lebenskunstvollsterben

unterstützt Höhen und Tiefen kunstvollen Alterns mit Fantasie, Fotografie, Poesie, Clownerie

Palliativ Care - eine Reise unter die Haut

„ Füreinander da sein – miteinander wohlfühlen“

Dieses Leitbild sagt aus,dass der dieser Einrichtung anvertraute Bewohner mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht.Hier wird mit dem pflegetheoretischen Modell der fördernden Prozesspflege von Monika Krohwinkel gearbeitet.Es wird somit eine individuell auf den Bewohner zugeschnittene biographieorientierte Pflege ermöglicht.
Bei den Mitarbeitern wird Freude am Beruf und Engagement bei der Entwicklung weiterer fachlicher Kenntnisse vorausgesetzt.Das Anforderungsprofil beinhaltet Eigeninitiative,Teamorientierung,Selbstreflektion,Kritikfähigkeit und den Wunsch erfolgreich zu arbeiten.
( inhaltl. Auszüge aus dem Leitbild)


Das Haus bietet 44 pflegebedürftigen Senioren Platz in Einzel – und Doppelzimmern im Appartmentstil. Außerdem gibt es 10 barrierefreie Wohnungen.Die Mieter leben dort unabhängig und selbständig,haben aber einen Servicevertrag mit der Einrichtung und können Zusatzleistungen frei wählen.
Im Hause gibt es eine Friseurin und eine Fußpflegerin.Die Wahl eines Arztes und des/der Krankengymnasten/in steht selbstverständlich frei,das Haus bietet diese Dienstleistungen aber auch an.
Angehörigenengagement ist ausdrücklich erwünscht.
Monatlich wird eine Heimkostenabrechnung erstellt.Die Hausleitung machte dazu keine Angaben.Zu dem Angestelltenschlüssel gab es ebenfalls keine Auskünfte.Es wurde aber versichert,dass die Verträge entsprechend der Vorschriften des Heimgesetzes und des Pflegeversicherungsgesetzes mit der zuständigen Heimaufsicht abgestimmt werden.
Das Haus bietet einen ausgedehnten Service für die persönlichen Bedürfnisse der Bewohner.


1.2. Darstellung meiner persönlichen Aufgaben


Seit langem beschäftigt mich der Gedanke,wie man neben der medizinischen und körperlichen Grundversorgung einen Zugang zu den emotionalen und intellektuellen Ressourcen eines Menschen bekommen kann,der aufgrund einer schweren Krankheit oder seines Alters nicht mehr oder nur wenig auf sein Umfeld reagiert.Ich bin davon überzeugt,dass auch ein Mensch in dieser schweren Lebenssituation ein reiches Innenleben hat und dieses auf seine Art mitteilen möchte,wenn man ihm Gelegenheit dazu gibt und ihm bei der Bewältigung dieser Aufgabe hilft.Mein Ziel ist es herauszufinden,welche „Hilfsmittel“ seitens des Personals einen intensiven zwischenmenschlichen Kontakt herstellen können, die den Patienten zufriedener und vielleicht sogar fröhlicher und seelisch gesünder macht.
In diesem Praktikum liegt mein Aufmerksamkeitsschwerpunkt auf der Musik – und Ergotherapie.Ich möchte beobachten,ob und wenn ja, was sich bei einem Menschen mit oben beschriebenen Behinderungen verändert,wenn er/sie sich kreativ beschäftigt,und zwar nicht allein, sondern mit fachgerechter Zuwendung und im Verbund mit anderen Menschen..
Diese einfühlsame und differenzierte Arbeit wird meines Erachtens in der „Fachwelt“ viel zu wenig gewürdigt,eine „ordentliche“Grundversorgung scheint immer noch das Wichtigste zu sein.
Meine Arbeit in diesem Praktikum ist also erstens die Mitarbeit in der Musiktherapie,zweitens ein Projekt zur Zusammenführung von Kindergartenkindern und alten Menschen und ,nicht zuletzt,Begegnungen mit Demenzkranken als Klinikclown.





Meine Projektbegleitungen


2.1. Musiktherapie


2.1.1. Der Ablauf einer Gruppensitzung an einem
Beispiel



Einmal in der Woche treffen sich eine Musiktherapeutin und acht Bewohnerinnen des Hauses für etwa 90 Minuten in einem Raum,der mit Instrumenten und einer Beschallungsanlage ausgestattet ist.

Frau St. arbeitet hier auf Honorarbasis.Sie hatte bis vor einigen Monaten eine halbe Stelle,die aus Kostengründen gestrichen werden musste.

Das Angebot ist nicht sehr großzügig und ich erfahre,dass die meisten Klanghölzer,Tamburine,Trommeln und Klangspiele zum Privatbesitz der Therapeutin gehören.
Das Instrumentarium besteht unter anderem aus Klangspielen, die pentatonisch gestimmt sind,das heißt,dass sie dem/der Spieler/in immer ein harmonisches Klangerleben garantieren,auch wenn sie nicht musikalisch sind oder kein Instrument zu spielen gelernt haben.
Die Rhythmusinstrumente dienen ausschließlich zum Erfinden eigener Pulse und dem Ausdruck von persönlichen Geschwindigkeiten.
Es ist erstaunlich,mit welcher Sicherheit sich aus der Kreativität der Einzelnen immer wieder ein gemeinsames klangvolles Erleben zaubern lässt.

Der CD- Player muss mit dem Haus nebenan geteilt werden,deshalb sind ständige Absprachen nötig.

Von den Teilnehmerinnen sind vier Rollstuhlfahrerinnen.Drei davon sind MS – Kranke,(55/70 und 83 Jahre alt)deren geistige Aufnahmefähigkeit sehr unterschiedlich ist,von sehr rege und flexibel bis kaum mehr ausdrucksfähig und depressiv.Frau W.hatte mehrere kleine Schlaganfälle und kann schlecht laufen,ist aber ein sehr aktiver Mensch und bringt viel Humor mit.Die anderen Vier sind dement und kaum orientiert (zwischen 88 und 96 Jahre alt).Interessant ist es wohl auch,dass an dieser Veranstaltung nur Frauen teilnehmen.

Zunächst einmal müssen die Teilnehmerinnen aus ihren Zimmern oder der Cafeteria geholt werden.Das hat die Therapeutin alleine zu bewältigen.Manchmal ist ein sanftes Animieren nötig,manchmal ist noch zu erklären,“was wir eigentlich tun wollen“ und manchmal ist auch eine Frau nicht fertig angezogen,obwohl die Maßnahme immer zur gleichen Zeit stattfindet.

Als erstes ist eine Befindlichkeitsrunde angeboten,die immer unterschiedlich lang ausfällt,je nach Bedürfnis der Teilnehmerinnen.Es ist sehr deutlich zu spüren,dass Frau St. ein intensives Vertrauensverhältnis aufbauen konnte.Die Frauen gehen erstaunlich tief in ihre persönlichen Geschichten,ein Bedürfnis,das an anderer Stelle in diesem Haus nach meinen Beobachtungen kaum oder nur sehr wenig aufgefangen wird.Das Pflegepersonal ist zwar bemüht,aber deutlich überlastet, wie wohl in dieser Zeit überall.Nur die Demenzkranken beantworten die Frage nach ihrem Ergehen mit einem kurzen „ gut“.Es ist ihnen anzusehen,dass sie nicht so recht wissen,“was das hier soll“,aber sie sind neugierig und erwartungsvoll.
Jetzt folgen eine Reihe von Bewegungsübungen im Sitzen nach schwungvoller Musik.

Anschließend nimmt sich jede ein Instrument ihrer Wahl und entwickelt mit Hilfe der Therapeutin einen Rhythmus oder ein Klangbild,dass sich später mit den anderen zu einem Musikteppich zusammenfügt.Das erzeugt ein Gemeinschaftserleben, dessen Wirkung an den lebendigen Gesichtern abzulesen ist.
Wenn Zeit ist, folgt noch ein interessantes Experiment:
Jede Frau sucht sich ein Instrument und eine Partnerin und jetzt beginnt ein musikalischer Dialog der beiden,ganz streng ohne Worte.Auf der einen Seite ist es bewegend zu sehen,was man sich alles ohne Sprache mitteilen kann,auf der anderen Seite ist aber auch deutlich zu erkennen,wie kontaktlos diese Menschen im Laufe ihres Lebens geworden sind.Einerseits ist das sicher ein Ausdruck unserer Gesellschaft,andererseits aber auch ein Zeichen dafür,wie viel Einsamkeit es besonders im Alter gibt.
Zum Schluss gibt es ein Getöse und ein Gerappel mit allen Instrumenten,so laut es geht.Das wilde Durcheinander erzeugt noch einmal ein heilsames Gelächter und ein rundes Ende.

Nach der Beantwortung der Frage,ob es noch etwas Dringendes anzumerken gibt,werden alle Bewohnerinnen einzeln in ihre Zimmer oder in den Aufenthaltsraum zurückgebracht.Alle haben ein Lächeln in ihren rosigen Gesichtern.





2.1.2. Beobachtungen des Therapieverlaufes bei
Frau D. innerhalb von zehn Gruppensitzungen



Frau D. lebt schon seit Jahren im Haus und nimmt seit eineinhalb Jahren,solange es die Musiktherapie gibt,an der Gruppe teil.Sie ist 96 Jahre alt und zum Zeitpunkt meines Praktikumsbeginns eine resolute,drahtige Person.Sie ist dement und lebt ausschließlich in der Gegenwart.Sie ist desorientiert,sowohl in Zeit und Raum,als auch in ihrer Persönlichkeitswahrnehmung.Auf den ersten Blick macht sie körperlich einen sehr guten Eindruck,ist mobil und aktiv,aber nicht motorisch unruhig.Ihr Gesicht trägt selbstbewusste,lebendig offene Züge mit viel Humor.Sie war übrigens die erste Frau,die in Deutschland den Führerschein gemacht hat und mit 60 J.erfüllte sie sich ihren Herzenswunsch und lernte noch das Reiten.
Frau D.kann intellektuell nicht mehr erfassen,was sie tut,umso bedeutsamer ist ihr unbewusster Ausdruck beim Musizieren.Sie ist in der Lage, ihre Gefühlswelten direkt und spontan mit einem einfachen Rhythmusinstrument zu zeigen und erweckt den Eindruck,als erlebe sie das jeweilige Gefühl auch auf der körperlichen Ebene, entspannt und wach.Sie wird witzig und offen und zeigt reges Interesse.Ja, sie ist sogar in der Lage,mit ihrer jeweiligen Partnerin einen kurzen Augenkontakt zu halten und eine kleine musische Beziehung herzustellen.
Wenn die Sitzungen vorbei sind,verschwindet sie wieder in ihrer Welt und reagiert nur auf eine direkte Ansprache,aber mit inhaltlichen Gemeinplätzen.Trotzdem bin ich der Meinung,dass die Musiktherapie zu einem nicht unerheblichen Teil zu ihrer Zufriedenheit und Ausgeglichenheit beiträgt.Diese lebendigen Momente der Begegnung zeigen mir die Wünsche und Fähigkeiten eines dementen Menschen deutlich.Es erscheint mir nur fair,diese Schätze des Alltag wahrzunehmen und mit allen Mitteln zu beleben.
Frau D. ist übrigens noch während meiner Arbeitszeit dort zusammengebrochen.Es ging ihr einige Zeit sehr schlecht.Ich habe nicht erfahren,ob sie verstorben ist.Ich danke ihr,dass ich sie als eine Frau kennenlernen durfte,die ein Vorbild sein könnte,wie man lebt und alt wird und stirbt.






2.2. Ergotherapie



Projektbeschreibung:



2.2.1. Begegnungen von Kindergartenkindern und
alten Menschen



An vier aufeinanderfolgenden Dienstagvormittagen kamen etwa 15 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren aus dem naheliegenden Kindergarten zu Besuch.
Zunächst wurde gemeinsam ausgiebig gefrühstückt und dann bauten und werkelten „Alt und Jung“ ungefähr anderthalb Stunden lang einfache Musikinstrumente.
Als Krönung erarbeiteten wir uns unter meiner Regie ein Klangspiel, das allen Interessierten mit Begeisterung vorgetragen wurde.


Ein Ergotherapeut ist ein Multitalent,er hat eine kaum überschaubare Anzahl von Aufgaben.Ch.,sie wird hier von allen gedutzt,weil sie so jung ist,bietet in diesem Haus Hockergymnastik,Gedächtnistraining,Spielegruppen (Bingo,Spiel und Spaß,Plattenteller),Kreativgruppen (Basteln,Malen,Förderung der Feinmotorik,Förderung der Auge – Hand und Hand – Hand Koordination),zwei Singkreise und Vorlese – und Erzählstunden an.Sie begleitet die Kirchgänger am Sonntag,wenn sie Dienst hat und leitet ein Abendcafe´.Einmal im Monat gibt es ein Überraschungsangebot,wie zum Beispiel Ausflüge außer Haus.
Ch. ist auch zuständig für die psychosoziale Einzelbetreuung und hat Feste des Hauses vorzubereiten und die Chronik des Hauses zu dokumentieren.Daneben begleitet sie bei Arzt - und Krankenhausbesuchen,Spaziergängen,macht Einkäufe und Besorgungen mit den Bewohnern,gestaltet und pflegt Terrassenbeete, führt Angehörigengespräche,hat regelmäßig Tischassistenz als Hilfestellung beim Essen,hilft bei Wohnraumgestaltungen,beschafft Therapiematerial,begleitet und unterstützt ehrenamtliche Helfer und gestaltet die Hauszeitung.
Sie hat übliche Arbeitsbedingungen,einen verlängerten Jahresvertrag und wartet unsicher auf ihre Kündigung,weil sie sonst mit einem festen Vertrag übernommen werden müsste.
Da bleibt einem die Luft weg? Ja,Ch. auch.

Nicht zuletzt ist aber auch anzumerken,dass das Personal häufig tatkräftig unterstützt.So war es auch bei unserem Projekt.
Als erstes ist es auch hier eine manchmal zähe Aufgabe, die Hausbewohner zu animieren,an diesem ungewöhnlichen Projekt teilzunehmen.Die zu überwindende Passivität ist sehr hoch.Hinterher sind fast alle sehr froh,sich überwunden zu haben und rollern beschwingt in ihren Alltag zurück.Das ist eine regelmäßige Erfahrung.
Das Küchenpersonal hat ein schmackhaftes,auch kindgerechtes Frühstücksbuffet aufgebaut und hilft allen bei der Bewältigung des Essens und Trinkens. Kinder und Bewohner ignorieren sich zunächst,bleiben in eigenen Grüppchen und nehmen sich Zeit,erst einmal das Terrain zu sondieren.Ganz allmählich werden leise die Fragen nach den Namen beantwortet und einige alte mütterliche Damen übernehmen die Regie und bedienen und umsorgen die Kleinen.Nicht alle Kinder sind von dem „Umtüddeln“ begeistert.
Nach dieser Anwärmphase geht es nun an die Arbeit.Gemeinsam werden Kronkorkenrasseln,Regenmacher,Glühbirnenrasseln und Blumentopftrommeln gebaut.Einige „Großmütter“ helfen dort engagiert,wo etwas fehlt oder etwas nicht weitergeht.Die Stimmen werden lebhafter und bald sind alle in die Arbeit vertieft.Nur ein paar unruhige Kinder müssen von Zeit zu Zeit vom Toben aus den Fluren geholt werden.
Viele Hausbewohner sitzen einfach nur dabei und sehen interessiert oder mäßig begeistert zu.Einige sind in ihre eigene Welt eingesponnen oder schlafen.
Anderen ist das alles zu hektisch und sie verlassen genervt den Raum.
In den wenigen Engagierten spürt man jedoch die lange ungenutzte Zärtlichkeit zu all dem jungen Leben.Viele Kinderrücken werden wie unabsichtlich gestreichelt und warmes Lachen begegnet sich in den Augen.Allein deshalb hat sich das Ganze schon gelohnt.
Kinder und BewohnerInnen gewöhnen sich in diesen vier Wochen langsam aneinander,aber man hat dann doch den Eindruck,dass es nun erst einmal genug ist und man in den ruhigen,beschaulichen Alltag zurück möchte. Allzuviel Erregung scheint wohl auch nicht ganz gesund zu sein.
Aber dem Höhepunkt schauen alle noch einmal gespannt entgegen.Ich schrieb ein Märchen zum Thema „alt sein und jung bleiben wollen...... und erzähle dieses und dirigiere es als Klangspiel, begleitet mit den selbstgebauten und noch bereitgestellten Instrumenten,ähnlich wie Peter und der Wolf.
Es war ein großer Erfolg und sehr befriedigend,etwas Gemeinsames geschaffen zu haben.
(Die Geschichte ist im Anhang zu finden)


2.2.2. Beobachtungen des Entwicklungsprozesses
im Projekt an zwei Bewohnern des
Hauses – Herr I. und Frau A..



Herr I. lebt seit etwa zwei Jahren im Hause.Auch seine Frau teilt sich hier mit einer anderen Dame ein Appartment. Das ist eine seltsame Beziehung,eher eine Nichtbeziehung.Frau I. wohnt schon länger,auf Grund einer Demenzerkrankung hier und Herr I.,erst etwa 70 Jahre alt, konnte einfach nur nicht mehr alleine zurechtkommen.Die beiden reden fast gar nicht miteinander und grüßen sich nicht auf dem Flur.Sie sind wie Fremde.Nur Frau I. durchbricht dieses Muster gelegentlich,indem sie ihn beschimpft.Herr I.hat sich ganz in sich zurückgezogen.Seine allgemeine Ablehnung grenzt an Unhöflichkeit.Er ist nicht dement,sondern nur ein in sich verschlossener,aber kultiviert wirkender Herr,körperlich fit und immer gut gekleidet.Er nimmt an Aktivitäten des Hauses kaum teil.
Zu dem Projekt erscheint er nun doch.Abwartend in der Ecke sitzend, beobachtet er das Geschehen,lässt sich aber auf nichts ein.Nach einer ganzen Weile steht er auf,umrundet alle Tische in der äußersten Ecke und gesellt sich ohne ein Wort zu den Kindern.Er beginnt ganz still zu malen und mit exakter Sauberkeit ein Instrument zu bearbeiten.Es wird einfach schön.Er ist ganz versunken,aber als die Kinder ihn ansprechen,beugt er sich mit einer freundlichen Gelassenheit und Autorität herunter,um weiterzuhelfen.Bei der zweiten Veranstaltung wartet er schon lange vorher im Flur und veränderte sich sehr,als die Kinder ins Haus kommen.Wieder erleben wir einen ganz besonderen Herrn I.Solch einen Opa kann man nur allen Kindern wünschen.Was ist geschehen in seinem Leben ?




Frau A.ist ein winziges Persönchen mit vielen blauen Flecken und blutverkrusteten kleinen Wunden im Gesicht und an den Armen.Eine Hautkrankheit macht unter anderem ihr Leben schwierig.Sie ist sehr schwer dement und tigert ununterbrochen die langen Flure hin und her.Zwischendurch macht sie Station und ordnet und faltet hektisch einige Servietten und Wasserkrüge.Dabei fällt gelegentlich einiges um und ergießt sich über Rollstühle und Kleidung der anderen.Das stimmt andere Bewohner sehr böse,weil es immer und immer wieder passiert und Frau A. überhaupt nicht auf Ermahnungen hört.Manchmal wird sie geschlagen,wenn jemand vom Personal nicht schnell genug reagieren kann.
Frau A. ist schon viele Jahre hier und man will ihr einen Umzug in eine Einrichtung,die sich intensiv mit den Eigenheiten von Demenzkranken beschäftigt und darauf eingeht,nicht mehr zumuten.
Frau A.aber setzt sich gemütlich zwischen all das Gewusele mit Kindern und Klebstoff , Hämmern und Feilen und bleibt dort lange,lange sitzen,stakst mit ihren dürren Fingern auf dies und das und murmelt selig lächelnd wichtige Nichtigkeiten vor sich hin.Sie lacht allen und jedem zu und fühlt sich ganz bedeutend.
Beim nächsten Treffen wird sie doch vorsichtshalber weggeführt.Sie ist nach dem ersten Mal sehr unruhig und eigenwillig gewesen,das Personal hatte große Mühe,sie zur Ruhe zu bringen.
Übrigens gibt es jeden Donnerstag eine berührende Geste.Die Musiktherapeutin bringt sie zum Mittagsschlaf in ihr Zimmer und singt sie, in den Armen schaukelnd in den Schlaf.





1. Meine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen



In einer Publikation las ich vor einiger Zeit,dass es alte Menschen gibt,die sich aus Furcht vor dem Pflegeheim umbringen.
Durch die Gesundheitsreform und den Einsatz ambulanter Pflegedienste ergibt sich heute die Möglichkeit,lange in den eigenen vier Wänden zu bleiben.Das verändert die Zusammensetzung der Bewohnerschaft eines Pflegeheimes sehr.Die Menschen hier sind pflegebedürftiger geworden und man begegnet mehr Elend.Die medizinische Versorgung hat sich erheblich verbessert und die Alterskrankheiten nehmen wesentlich an Bedeutung zu.Es ziehen in der Regel wirklich nur die Menschen in eine Einrichtung,die zu Hause nicht mehr versorgt werden können.Dieses „Zuhause“ muss also ersetzt werden.
Ich glaube,die große Angst der Menschen ist nicht die Angst vor dem Sterben,sondern die Angst,nicht mehr als Mensch wahrgenommen zu werden und vor dem biologischen einen sozialen Tod zu sterben.Das ist eine riesige Herausforderung an die Beziehungsfähigkeit der Pflegenden.Sie handeln ja immer unter dem Einfluss der verschiedensten Interessengruppen und der Beobachtung der Bewohner und ihrer Angehörigen,der Gesellschaft,verkörpert durch den Staat,der Rechtsprechung und der Kostenträger.Alles ist geprägt durch Begrenzungen und die eigenen Ressourcen sind auch nicht unendlich,wie man an der Ergotherapeutin Ch. sehen kann.

Und um den kompetenten und respektvollen Umgang mit Grenzen,den eigenen und denen der anderen geht es meines Erachtens.Das ist für mich eine Reise unter die eigene Haut,ein Kennenlernen meiner eigenen Fähigkeiten und Wünsche,bevor ich mir anmaße,die der anderen zu bewerten und ihnen meine Sicht – und Handlungsweise aufzudrücken.
Das klingt utopisch.Es wäre gar nicht möglich,das Pflegepersonal ständig in selbst reflektierende Maßnahmen zu schicken,zumal sich die meisten mit Recht dagegen wehren würden.

Ich selbst habe nach vielen Jahren Lebens - und Berufserfahrung und besonders auch nach dieser Erfahrung ein tiefes Vertrauen in die Kreativität eines jeden Menschen entwickelt,oft muss sie nur ein wenig angestupst werden:
Es geht ein Mensch mittleren Alters mit normaler Figur einen langen Flur entlang.Er ist unauffällig gekleidet,mittelgroß und hat kurzgeschnittene Haare von undefinierbarer Farbe.Ein Durchschnittsmensch also,den niemand beachtet.
Dieser Mensch setzt sich nun eine billige rote Plastiknase auf und beginnt respektvoll zu grüßen,nichts mehr und nichts weniger.
Sofort haben Sie,liebe/r LeserIn ohne Mühe ein Bild davon im Kopf..Beobachten Sie Ihre Gefühle,ist es peinlich? Macht es Sie
fröhlich ? Fühlen Sie sich gestört? Würden Sie ein lustiges Lied pfeifen,wenn Sie um die nächste Ecke biegen? Erzählen Sie am Abend Ihrer Familie davon? Egal was, aber mit hundertprozentiger Sicherheit reagieren Sie auf diesen Impuls.

Kreativität verändert also den Zuschauer,sie bringt ihn zum Handeln.Was aber ist mit dem „Täter“.Wer wird ihn zufriedener machen,der Mensch, ,der sich umdreht und heimlich reagiert,oder derjenige,der ihm entgegen lacht und seinen höflichen Gruß offen aufnimmt ?
Kreativität ist die kleinste Veränderung des Normalen,des Erwarteten.Das erfordert weder viel Kraft noch Zeit und ganz gewiss keine stundenlange Selbstreflektion mit Grübeln und Nachdenken.Es braucht allerdings Mut.Mut sich zu zeigen und mit den Reaktionen die man bekommt, souverän umzugehen.
Alte und kranke Menschen kompetent und fachlich gut zu betreuen ist eine wichtige Sache,mitzuleben, beim Betten machen zu singen,aus Spinat und Kartoffelbrei ein Bild zu malen,jemanden anzulächeln,auch wenn es nichts zu lachen gibt wenn man sich gegenseitig einen guten Morgen wünscht,eine andere.

Aber es gibt nichts zu lachen ? Unsere Alten haben viele Schmerzen und Leiden? Das Pflegepersonal ist ständig gestresst und permanent überfordert?

Das stimmt!

Ich habe auch keine Lösung.Ich setze einfach meine rote Nase auf und wandere über die Flure und spiele mit jedem,der mir begegnen will.







Anhang :


eine Klanggeschichte



Die blaue Blume



Vogelfrau – Flöte

Schwan - Röhrenglockenspiel

Sturm – Oceandrum

Donnern –Sturm – Djambee

Enten – kleine Trommeln

Spatzen – Glühbirnenrasseln

Meisen – Korkenschellen

Spechte – Klanghölzer

Schwälbchen - Regenmacher





Es wohnte einmal auf einem hohen Berg ,in einem hohlen uralten Baum eine große,schöne VogelfrauSie trug ein rabenschwarzes Gefieder,das in der Sonne glänzte,wenn sie sich putzte.Ihr Leben lang hatte sie gesungen,gezwitschert und manchmal auch zornig mit dem Schnabel geklappert,wenn ihr etwas nicht gefiel.Den anderen Vögeln half sie gelegentlich,wenn diese traurig oder krank waren.Oft hatte sie sogar einen klugen Rat für den einen oder anderen,der gerade vorbeikam,um sich bei ihr von den Mühen des Tages auszuruhen.

(Flöte)

An einem grauen Regenmorgen jedoch konnte sie nicht so recht in Gang kommen und merkte auf einmal,dass sie alt geworden war.Das Gefieder glänzte nur noch schwach,auch wenn die Sonne besonders freundlich schien,die Flügel taten ihr weh und die Flugwege wurden ihr lang.Im Bauch gab es seit einiger Zeit so ein Stechen und Ziehen.Seit Wochen wollte und wollte das nicht aufhören.

(Flöte)

Ratlos sahen sich die anderen Vögel an,schnatterten aufgeregt durcheinander,tauschten Ideen aus,trippelten mit den Füßen um dann doch ganz leise zu werden,weil niemand so recht einen Rat wusste,wie man der so verehrten Vogelfrau helfen könnte,damit sie wieder gesund und froh werden konnte.

( Kinder, Regenmacher, Glühbirnenrassel ,Korkenschellen, kleine Trommeln ,Klanghölzer)

Da erhob sich langsam und majestätisch der alte Schwan.Er wusste,was es bedeutet,alt und krank zu sein,hatte er doch auch schon viele Jahre gelebt und Erkundungen und Reisen auf dem großen See im Norden gemacht und dabei eine Menge Erfahrungen gesammelt. Bedächtig begann er zu sprechen.Er hatte gehört,von einem,der es wissen musste, dass nur der Duft der zarten blauen Blume,die im Land Nirgendwo wächst, der alten Vogelfrau helfen kann.

(Röhrenglockenspiel)

Nun schnatterten wieder alle ganz aufgeregt durcheinander.Wo war Nirgendwo?Wie kam man da hin?Welche Gefahren lauerten auf dem Weg?Wer sollte das alles auf sich nehmen?Und so weiter und so weiter.........

(Kinder,Regenmacher, Glühbirnenrassel, Korkenschellen,kleine Trommeln, Klanghölzer)

Schließlich einigte man sich.Alle wollten etwas tun.Jeder wollte helfen.Und so machten sie sich auf in alle Himmelsrichtungen,um die zarte blaue Blume zu suchen.
Die Enten suchten die Seen ab.Leise plätscherten sie durch den Sonnenschein,schauten hier hinter die Uferböschung und steckten dort den Hals unter Wasser und das Schwänzchen in die Höhe.

(kleine Trommeln)


Die Spatzen wirbelten schwatzend durch die Luft und schauten alles genau von oben an.Sie überflogen die Berge und Täler und sausten im Übermut über jede Wiese,um die zarte blaue Blume zu entdecken.

(Glühbirnenrasseln/Rasseln)

Die Schwälbchen durchsuchten jedes Mauerwerk und jeden Felsvorsprung.Nichts war ihnen zu hoch oder zu felsig.Selbst dort, wo gar keine Pflanzen mehr wuchsen,schauten sie unermüdlich in jede Felsspalte.


(Regenmacher )


Die Spechte klopften jeden Baum ab,den sie im Wald finden konnten und drehten fast jeden Stein um.Das grüne Moos machte ihnen Mühe,darin versteckten sich viele kleine Pflanzen,aber keine davon war zart und blau und duftete auf eine ganz besondere Art.

(Klanghölzer)

So suchten alle Vögel Stunde um Stunde,Tage um Tage,Wochen um Wochen.Sie wurden immer erschöpfter und erschöpfter und dann kam auch noch ein starker Wind auf,der ihnen ins Gefieder fegte,der Himmel bezog sich,dicke Wolken hingen tief am Himmel,Donner grollte,es stürmte und Hagelkörner zerschlugen fast die kleinen Körper.Ein unbeschreibliches Unwetter brach los und ließ sie alle Zuflucht suchen in einem alten Baum.
Es war furchtbar.Sie krallen sich an den Zweigen fest und waren doch froh,dass sie alle hier wieder zusammengefunden hatten,um Schutz zu finden.

(Oceandrum,Djambee,summen,Töne machen,brüllen,klatschen. dirigieren -
eine ganze Weile das Auf – und Abschwellen des Unwetters)

Dann wurde es still.Der Donner grollte noch leise in der Ferne,der Regen rauschte nur noch ganz sacht.

(siehe oben,aber ganz leise)

Die Vögel plusterten sich auf,schüttelten sich und tschilpten leise vor sich hin.Sie waren sehr zufrieden,dass sie dieses Unwetter alle heile überstanden hatten und schauten sich erleichtert an und begannen zu fragen,wer denn nun die zarte blaue Blume mit dem Duft gefunden habe.Alle waren ganz erwartungsvoll,zirpten aufmunternd,der Erfolgreiche solle nun nicht länger warten und sich zu erkennen geben,damit man ihn gebührend belohnen könne.

(alle Vögel,aufmunternd und lebendig)

Aber sie schauten und fragten und schauten und fragten,..........niemand hatte die zarte blaue Blume mit dem Duft gefunden.
Es half nichts,sie mussten einsehen,dass ihre Mission gescheitert war.
Sie weinten und stöhnten,waren ganz unglücklich,schluchzten und schimpften zornig...... und trösteten sich doch auch ein wenig gegenseitig ......

(Instrumente und Tönen,wenn sie sich trauen,wir machen vor)

.........bedrückt flogen sie ganz leise zu der alten Vogelfrau,die einsam auf ihrem Felsvorsprung hockte.Schwach plusterte sie sich etwas auf,als sie ihre Freunde kommen sah,die sie so sehr vermisst hatte.

(Flöte)

Alle umringten sie,drückten sich an sie und wärmten sie mit ihren Federn und kleinen Körpern.Erst erzählten sie noch stockend und schuldbewusst von ihren vergeblichen Bemühungen,dann aber wurden sie lebendiger,kuschelten sich aneinander,schnäbelten und pickten sich zärtlich und liebevoll am Schwänzchen und alle fühlten sich auf einmal ganz beglückt und geborgen miteinander.

(summen,leise Töne,leise Instrumente,Vogelfrau - Flöte, der Schwan - Röhrenglocke)


Und die alte Vogelfrau saß mittendrin.Sie schloss die Augen und nach einer langen Weile begann sie zu träumen.Sie schwang sich geradewegs hoch in die Lüfte,die Schmerzen wurden ein wenig geringer und ihr Gefieder schimmerte heller und schöner,je näher sie der Sonne kam.Ihr wurde ganz warm in Mitten ihrer gefiederten Freunde und sie sang ein wunderschönes Lied und ihre Stimme flog weit in die Ferne in den Himmel hinauf und alle Vogelstimmen fielen ein und sangen und tönten und schnäbelten und jubelten......

( Erst Flöte (Vogelfrau),dann (Röhrenglockenspiel(der Schwan) und dann beginnen erst die Schwälbchen(Regenmacher),Spatzen( Glühbirnenrasseln) Spatzen,die Spechte(Klanghölzer) fallen ein,dann die Enten (kleine Trommeln),dann die Meisen, (Korkenschellen)dann sind alle zusammen )

eventuell mit Gitarrenbegleitung :

Wir beginnen alle zu singen .............

Alle Vögel sind schon da,alle Vögel alle,
welch ein Singen,Musizieren,
Pfeifen,Zwitschern,Tirilieren,
Frühling will nun einmarschieren
kommt mit Sang und Schalle

(es singen und spielen alle mit )