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Poesie - Schrott im Netz

Poesie - Schrott im Netz I


nehmen wir doch diese Aussage wörtlich. Was Poesie ist, scheint jeder Mensch zu wissen. Das ist, wie bei der Kindererziehung, man bekommt alles in die Wiege gelegt. Ins Grübeln bin ich allerdings nach dem Lesen des umfangreichen Wälzers „Gehirn und Gedicht“ von A. Jacobs und Raoul Schrott gekommen. Ja, genau, dieser Mann heißt Schrott und beschäftigt sich damit, wie Mensch sich seine Wirklichkeiten konstruiert.


Hier ist meine Poesie – Wirklichkeit :

Als ich etwa 12 oder 13 Jahre alt war, standen „Balladen“ auf dem Lehrplan des Deutschunterrichts.
Balladen!!! Ein Anlass zum Verdrehen der Augen und seufzendes Niederschlagen derselben, weil es vorm Auswendiglernen kein Entrinnen gab.

Die Bürgschaft (für die jüngeren Leser : bitte googeln)

Kurz :
1. lernen, stocken, vergessen, lernen, vergessen, Luft holen, kozentrieren, Luft holen, lernen, lernen.....( Liege ich richtig, wenn ich sage, dass muß heut niemend mehr, außer Schauspielern?)

2. Bis zur nächsten Deutschstunde behalten, also nochmal üben, um wenigstens noch die Note befriedigend zu bekommen.

3. Aufgerufen werden, Herzklopfen, alles vergessen, sich umdrehen und in 38 Gesichter schauen, gelangweilte, gestresste, uninteressierte... und ...und vom Lehrer lieber ganz zu schweigen.



Und dann geschah etwas, was ich nur im nachhinein und vermutlich ungenau beschreiben kann :

War es die Aufregung ( ich war schon damals extrem schüchtern, jaja!) ?
Meine Synapsen schalteten plötzlich wie wild hin und her, um dann abrupt ihre Tätigkeiten einzustellen ( So etwas nennt man Lampenfieber, vielleicht ?). Leere, nichts ging mehr. Und dann geschah mein ganz persönliches Wunder :

Worte quollen aus meinem Mund, begannen zu tanzen im Rhythmus des Versmaßes, wurden zum gesprochenen Lied, ergriffen mich ganz. Ich fühlte die Worte und deren Inhalt berührte mich tief. Die schüchterne, kleine Hanna war verschwunden, die Worte und das Mädchen schmolzen ineinander.
Eigentlich sollte man so eine Erfahrung nicht in die Öffentlichkeit schicken. Aber vielleicht gibt es den einen oder die andere werdende/n Poeten/in, die jetzt nickt und sich bestätigt fühlt.

Auch das Ende will ich nicht vorenthalten :

Stille, ich brauchte eine kleine Weile, um aufzutauchen. Vor mir sah ich 76 lebendige Augen. Einige berührt, einige verschämt oder nachdenklich. Ich muß bedenken, dass damals alle Schüler mucksmäuschen still waren in jedem Unterricht, aber hier war etwas anderes hinzugekommen, eine verbindende Aufmerksamkeit, eine stille Freude aneinander. Sie reichte noch ein wenig für die Pause.
Seit dem liebe ich Gedichte und meine Latte ist hoch, oft, oft genug genüge ich mir selber nicht.
Doch, was soll ich machen ?

Diesen verbindenden Moment finde ich auch, sehr selten, im Netz. Ich lese und fühle in fremde Gedichte und suche nach dieser Wirklichkeit oder Wahrhaftigkeit der Worte und deren Kompositionen.

Ich finde sie nicht bei Dichtern, die ihre Texte „besitzen“ wollen, d. h. sie modulieren und pressen sowohl Worte als auch Inhalte in eine eigens dafür geformte Schachtel, zeigen sie verschämt und mit Schleifchen drum, und wenn ich neugierig zugreifen möchte, schreiben sie:
Iss meins, ich wollte es dir nur zeigen, aber genau betrachten darsft du es nicht und außerdem kränkt es mich, wenn du es nicht schön findest.


Ende des ersten Teils
Zweiter Teil : Über den Schrott und mein Fazit zum Thema









Poesie – Schrott im Netz...... II




Stolz saß ich neben meinem Opa auf dem Bock des Güllewagens. Ich durfte die Zügel halten und war sicher, die absolute Gewalt über den ständig nickenden Pferdekopf halb unter mir zu haben.
Es stank ordentlich an diesem heißen Sommermorgen, aber wen störte das schon? Die eifrige Wagenlenkerin jedenfalls nicht.

Plötzlich griff Opa in die Zügel und rief beruhigend: „Hohh, hohhhhhh“

„ Lumpen und Alteeeeiiiiiiiisseeeennn, klingelingeling, Alteissseeennnnnn“, klang es die Dorfstraße hinunter. Und damit sind wir beim Thema „Schrott“. Schrott ist was für arme, schmutzige Leute dubioser Herkunft ? Schauen wir mal. Damals, in unserem Dorf wurden schnell die Kinder und die Wäsche ins Haus geholt, wie bei allem, was oder wer nicht zu uns gehörte
Was machte dieser unheimliche Fremde mit diesen Dingen, die keinen Wert mehr hatten, weil sie alt und verbraucht oder kaputt waren?
Diese Frage stellten sich nur die wenigsten. Das war so, wie es war und alle waren froh, dass der Hof wieder gepflegt und sauber schien. Das war doch das Wichtigste.

Um nun mit so wenig Altersschwatzhaftigkeit wie möglich zum Wesentlichen zu kommen, erzähle ich nur kurz, wie es in der westdeutschen Geschichte mit dem Schrott weiterging. Die kleinen Schrotthändler vernetzten sich, damals allerdings ohne unser ergiebiges Netz hier im Netz, schlossen sich zusammen, hier und da fusionierten sie, bildeten Monopole und nun gibt es schon lange Milliardäre, die ihr Vermögen mit Schrott und Lumpen errungen haben, dank unserem weltweiten Web auch globalisiert.
Ich höre gerade, dass der PC – Schrott nach Indien geschickt wird, so billig wie möglich sortiert gehen die verwertbaren Teilchen wieder in die Industrieländer zurück und die Inder werden auf dem riesigen Rest sitzen gelassen.

Ist das mit unserer geliebten Poesie anders? Scheint sie nach dem inflationären Handel in den letzten Jahren nicht auch schnell unbrauchbar zu werden?
Ex und hopp, das schmerzt mich doch sehr.

Ich kann mich einfach des Gedankens nicht erwehren, daß wir alle auf dem Bock eines Güllewagens sitzen und uns für die/derKönig/in der Literatur halten.
Die Poesie und besonders auch Gedichte gehören allen Menschen oder keinem, auch dem Dichter nicht.
Celan, Rilke.... u.v.a. wußten das, weil sie sich und ihre Werke reflektierten und daran wuchsen und wuchsen. Darüber hinaus ist es mir eine große Freude, miterleben zu dürfen, dass es bis heute immer wieder junge Menschen gibt, die ihre Lebensweisheiten geschenkt bekommen haben, von wem oder was auch immer.
Wir alle, nicht nur eine Elite (von sich selbst ernannt? Zu dieser Wahl hatte ich jedenfalls keine Gelegenheit, mein Votum abzugeben!) haben das Recht darauf, unsere eigenen Farben der Poesie zu suchen und, vielleicht nie, zu finden, in unserem ureigenen Tempo und mit unserem ureigenen Niveau. Ob wir uns diesen langen und beschwerlichen Weg erwandern bis erkriechenen wollen, entscheidet jeder/e selbst. Bis dahin sollten wir diesen unendlichen Haufen Literaturschrott hier im Netz mit der Drahtbürste schrubben, bis wir etwas Blankes erhaschen, es stundenlang, wochenlang, jahre.....polieren, vielleicht sogar mit dem ehemaligen Besitzer.
Ja,ja, schon Karl Valentin sagte : Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.


Ich buddele gern im Literatur – Schrott, mache mir oft die Finger schmutzig, fluche und jammere über die Dummheit des Menschen schlechthin und leider auch im Besonderen, vergreife mich im Ton bei Autoren und Lesern und wenn mir dabei Matthias, Sebastian, Arnd, Candy, Art,..... am anderen Ende entgegenbuddeln, ist das mein ganz perönliches Glück.
Nun will ich im Überschwang meiner „poetischen Gefühle (?)“ nicht übertreiben, es ist ein Zipfelchen meines Glücks und meine Zeit rennt in Siebenmeilenstiefeln davon und das ist gut so.